Niemals hätte Luisa gedacht, dass sie dieses Büro einmal so frustriert verlassen würde. Die letzten Jahre waren geprägt gewesen von intensiver Arbeit, einem tollen Team und spannenden Projekten, die sie als Personalleiterin des mittelständischen Schraubenherstellers mit ihren Kollegen umgesetzt hatte. Anstrengend, aber auch mit Spaß und Wertschätzung für das, was sie geleistet hatte. Und nun das.

Was war passiert:

Luisa hatte sich heute ein Herz gefasst und ihren Chef endlich auf das Sabbatical angesprochen. Das Sabbatical, über das sie so lange – monatelang – nachgedacht hatte. Das Sabbatical, das sie braucht, um endlich einmal runterzukommen. Das Sabbatical, das sie braucht, um ihre Beziehung zu retten, um ihrem Freund wieder näher zu kommen, der seit Jahren zurückstecken muss. Und glücklicherweise (noch) bei ihr geblieben ist.

Nach dem Lunch hatte sie ihren Chef, Sven ist sein Name, beiseite genommen und um ein Gespräch gebeten. “Klar, für dich habe ich immer Zeit”, hatte er geantwortet, war mit seinem Kaffee in der Hand in ihr Büro gekommen und hatte es sich an dem kleinen runden Besprechungstisch gemütlich gemacht. Sie setzte sich auf den anderen Stuhl, und merkte, wie ihr plötzlich das Blut in den Kopf stieg. Glücklicherweise hatte sie heute morgen eine Schicht Make-up aufgetragen, Sven sollte es also nicht bemerken.

Sven lächelte, und sagte: “Komm, schieß los. Was gibt es?”

Sie richtete sich auf und begann: “Sven, ich hab schon lange darüber nachgedacht, mit dir zu sprechen. Ich brauche mal eine Auszeit. Ein Sabbatical von 4 Monaten.”

Luisa konnte sehen, wie sich Svens offene Körperhaltung verkrampfte. Die Gesichtszüge waren nicht mehr so entspannt, er beugte sich leicht nach vorne, ohne jedoch seine breitbeinige Sitzhaltung zu verändern.

Darauf war sie vorbereitet: “Ja, das klingt jetzt möglicherweise krass, aber ich habe so viel für diese Firma getan, ich denke, es wäre okay, wenn ihr mir etwas zurückgebt.” Sie hatte sich das alles zurecht gelegt, ja sogar mit ihrer Freundin eingeübt.

“In den letzten 4 Jahren habe ich so viel für dieses Unternehmen geleistet. Ich denke da zum Beispiel an das Personalmanagementsystem, das wir eingeführt haben. Alles läuft jetzt viel günstiger und zuverlässiger. Ich habe das Team vergrößert und wir haben 87 neue, richtig gute Mitarbeiter gefunden und eingestellt. Auch das Employer Branding haben wir nachweislich verbessert. Du weißt, dass ich immer ansprechbar war, und auch oft am Wochenende gearbeitet habe. Dein Feedback war immer positiv. Ich wünsche mir daher, etwas zurück zu bekommen und das wäre das Sabbatical, was mich jetzt unglaublich freuen und motivieren würde.”

Sven schwieg, inzwischen saß er mit verschränkten Armen da.

Luisa sprach weiter: “Mir ist bewusst, dass wir hier noch nie ein Sabbatical im Unternehmen hatten. Aber generell würde ich sagen, dass das eine tolle Motivationsmaßnahme ist. Wir könnten darüber nachdenken, das hier einzuführen, das würde auch unserer Unternehmenskultur…”

Svens Handy klingelte, er warf einen Blick auf das Display und stand auf. “Luisa, pass auf, ich muss los. Wir reden drüber. Aber ich kann dir jetzt schon sagen: das ist schwierig. Ich seh das gerade nicht. Sorry.” Und er war aus der Tür.

 

Puh, was ist denn da schiefgegangen?

Wir halten mal fest: Luisa ist eine unglaubliche engagierte Führungskraft, die viel erreicht hat für ihr Unternehmen. Ihr Chef und sie verstehen sich gut und haben eine lockere, vertrauensvolle Arbeitsbeziehung. Wie kommt es, dass diese Verhandlung so in die Hose ging?

 

Wenn es ums erfolgreiche Verhandeln geht, brauchen wir zwei Kernkompetenzen:

Offenheit und Durchsetzungsstärke

Wir müssen Informationen sammeln und Verhalten beeinflussen.

Informationen sammeln in Offenheit,

das bedeutet, dass du so einiges über dich selbst, aber auch den Verhandlungspartner herausfinden solltest. Information ist in der Verhandlung Macht und auch der Garant dafür, dass ihr später zu einer Lösung kommt, die alle gut finden. Gut im Sinne von: Was wir vereinbart haben, möchten wir auch leben.

Was hat Luisa gemacht? Sie hatte einige Informationen über sich selbst. Sie hatte ein klares Ziel, nämlich ein Sabbatical von 4 Monaten. Sie hatte eine Menge Argumente gesammelt und den Vortrag dieser Argumente – grundsätzlich eine gute Idee – vorher sogar mit einer Freundin geübt. Wie Gewehrsalven konnte sie daher fast alle Argumente vorbringen und hat nichts vergessen. Aus ihrer Sicht. Denn über die echte Motivation, die Bedürfnisse, weshalb sie denn tatsächlich dieses Sabbatical brauchte, konnte sie nicht mehr sprechen. Und das wollte sie vielleicht auch nicht?

Nach dem was wir über Luisa wissen, würde ich annehmen, dass sie in Wirklichkeit diese Interessen hatte: Sie wünscht sich Anerkennung für ihren Einsatz und ihre Leistung. Anerkennung in einer Form, die für sie viel bedeutet. Sie hat das Gefühl, dass sie bisher mehr gegeben als bekommen hat. Nun ist sie ungeduldig, was auch die Art und Weise ihres Vortrages erklären könnte. Noch wichtig zu wissen könnte sein, dass Luisas Einsatz im Job private Schwierigkeiten verursacht hat. Sie hat Probleme in ihrer Beziehung. Die ist ihr wichtig, und sie sucht nach einer Möglichkeit, sie zu schützen und zu stärken.

Und was sind die Interessen von Sven? Wenn ich Luisas Vortrag lausche, dann argumentiert sie, dass sie für dessen Interessen ja schon vier Jahre lang eine Menge getan hat. Aber reicht das? Scheinbar nicht. Denn Sven bricht das Gespräch ab und es ist stark anzunehmen, dass er es nicht von selbst wieder aufnehmen wird.

 

Durchsetzungsstark Verhalten beeinflussen,

das heißt, den anderen überzeugen, dass deine Lösung auch die seine ist. Dass es eigentlich seine Idee ist. Dass er Lust hat, dich zu unterstützen, und sich sogar für deine Bedürfnisse einsetzen wird.

Was du dazu wissen solltest:

Wie funktioniert das Gehirn des anderen? Wie nutzt du die selektive Wahrnehmung, die wir Menschen nun mal haben, für deine Sache? Wie öffnest du es für deine Ideen? Wie gibst du ihm Ruhe und Sicherheit? Wie richtest du seine Aufmerksamkeit auf das, was er sehen soll und weg von dem, was er zu Beginn der Verhandlung sieht – nachhaltig?

Dafür gibt es großartige Techniken, über die ich hier noch viel schreiben werde.

Eine sehr wichtige Technik ist: Weniger argumentieren, mehr zuhören. Offene Fragen stellen und schauen, wo die Gemeinsamkeiten sind. Also auch wieder, siehe oben, Informationen sammeln:

Was Sven betrifft, ist er Geschäftsführer und hat eine Menge Verantwortung. Wahrscheinlich möchte er gern selbst entscheiden, was im Unternehmen passiert. Wahrscheinlich hat er harte Umsatzziele und schon eine Menge an der Backe. Wahrscheinlich möchte er Ruhe an möglichst vielen Fronten. Wahrscheinlich braucht er Sicherheit, dass seine Einheiten verlässlich geführt und verantwortlich gemanagt werden. Und so weiter…

Luisa hat nichts davon erwähnt. Sie glaubte, dass es reicht, wenn sie ihn mit ihrer Leistung aus der Vergangenheit überzeugt. Sie glaubte, dass viel gegeben zu haben bedeutet, in der Gegenwart auch viel zu bekommen.

Und weg war er.

Und das Sabbatical ist in noch weitere Ferne gerückt.

 

Wenn du dich auf deine nächste Verhandlung geschickter vorbereiten möchtest, dann lade dir gern meinen Magischen Türöffner herunter.

Darin erfährst du, welche Fragen du vor der Verhandlung beleuchten solltest, wie du deinen Verhandlungspartner besser einschätzen kannst und wie du ihn überhaupt zum Verhandeln über dein Thema motivierst.

Viel Erfolg wünscht dir

Deine Charlotte

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